Von Geisterradlern und Lichtpflicht

Eigentlich wollte ich über etwas Schönes schreiben. Vielleicht auch einfach Filmlog und Fahrtenbuch abarbeiten. Aber ich möchte mich aus gegebenem Anlass lieber aufregen. Für wirkliche Aufregung bin ich zu faul, daher wird es wohl beim müden Kopfschütteln und diesem Text bleiben.

Quizfrage
Die Sommersonnenwende steht kurz bevor. Die Dämmerung würde selbst ohne Sommerzeit angenehm lange auf sich warten lassen. Für den skandinavischen Mittsommer befinden wir uns allerdings ein paar tausend Kilometer zu weit südlich. Daher wird es hier trotzdem irgendwann dunkel. Und was macht man im Straßenverkehr am besten schon vorher an?

  1. Musik
  2. Licht
  3. Zigarette
  4. Passanten

Antwort #2 scheidet scheinbar für immer mehr Verkehrsteilnehmer aus. So erkläre ich mir zumindest die in der jüngsten Vergangenheit häufig eher zufällig ins Blickfeld geratenen, völlig lichtlosen Fahrzeuge. Die meisten befinden sich innerorts, scheinen gerade erst losgefahren zu sein und bedanken sich, wenn man sie darauf hinweist. Kann ja mal passieren. Ich wurde schließlich auch mal freundlichst geblendet, nachdem ich – von der Lichtautomatik anderer Autos verwöhnt – mit dem ersten eigenen Auto im Stealthmodus losgefahren war.

Lichtpflichten
Dazu fällt mir die Regelung zur Lichtpflicht in Schweden ein. Bei schwedischen Fahrzeugen oder zumindest denen, die ich bereits fuhr, war daher das Abblendlicht permanent und automatisch eingeschaltet. Über den Ausschalter konnte man lediglich die Tachobeleuchtung an- oder ausschalten.
Durch die dünne Besiedelung gibt es dort in den ländlicheren Regionen zum einen weniger Streulicht und zum anderen auch kaum Straßenbeleuchtungen. Und Schweden ist quasi eine einzige ländliche Region. Nachts ist es dort also wirklich dunkel.
Außerdem erzeugt die dichte Bewaldung dort bei Tag oft immense Helligkeitskontraste, die durch tiefen Sonnenstand häufig noch verstärkt werden und nicht zu unterschätzen sind. Hier hilft Lichtpflicht in der Tat dabei, andere Verkehrsteilnehmer zu erkennen.

Es werde Licht
Warum also nicht einfach Lichtpflicht in Deutschland einführen? Denkste.
Obwohl viele europäische Staaten auch heute noch über eine solche Regelung verfügen[1], revidierten viele Staaten diese schon wenige Jahre nach Einführung wieder[2]. Es gibt eine beachtliche Anzahl Studien, die die Vorteile einer Lichtpflicht belegen wollen, allerdings ebenso viele Automobilclubs, Motorradverbände und Studien, die das bezweifeln. Als Gegenargument wird die Gefährdung ungeschützter Verkehrsteilnehmer (z.B.: Fußgänger) angegeben, wenn Autofahrer auch tagsüber darauf konditioniert werden, ausschließlich auf beleuchtete Hindernisse zu achten. Auch der Mehrverbrauch von wenigen Prozent bei dauerhaft eingeschaltetem Licht ist bei weit über 50 Millionen in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeugen[3] umwelttechnisch nicht zu vernachlässigen.

Somit bleibt es in Deutschland wohl auf absehbare Zeit bei der in meinen Augen sinnvollen Regelung der Lichtpflicht durch die StVO, die das Fahren mit Licht bereits vorschreibt, „wenn die Sichtverhältnisse es erfordern“. Müsste sich nur mal jemand dran halten. Und damit meine ich euch, Fahrradfahrer!

Geisterradler
Denn zu den unsichtbaren Kraftfahrzeugen gesellen sich leider besonders im Sommer immer mehr Fahrräder. Licht? Optional. Während man bei einem unbeleuchteten Auto aufgrund spiegelnder Materialien und Größe nachts wenigstens eine geringe Chance hat, es nicht zu übersehen, sind Fahrradfahrer wirklich unsichtbar. Nachdem ich in der Vergangenheit einige Male einen gewaltigen Schrecken bekam, wenn derartige Geisterradler aus dem Nichts auftauchten, kann ich im Nachhinein nur noch resigniert den Kopf schütteln und solchen Yoloswaggern viel Glück wünschen. Vor allem wenn man aus „optischen Gründen“ die Reflektoren entfernt hat oder als „Radsportler“ erst gar keine Beleuchtung montiert hat und den beleuchteten Radweg grundsätzlich meidet. Und das gilt auch für die Genies, die „ja nur schnell die zwei Straßen nach Hause wollen“.

Ich wurde als Kind einmal von einem Autofahrer verbal zurecht gestutzt, als ich bei Dämmerung mit einem unbeleuchteten Fahrrad unterwegs war. So etwas wünsche ich jedem Kind, das von Haus aus nicht versteht, dass Verkehrssicherheit keine unnütze Theorie ist. Spätestens mit dem Führerschein und etwas Fahrpraxis sollte entsprechendes Verständnis vorhanden sein. Warum man aber zumeist erwachsene Geisterradler antrifft, die es eigentlich besser wissen müssten, bleibt mir ein Rätsel.

Niemand wünscht sich einen Unfall. Glaube ich zumindest. Schon gar nicht mit einem ungeschützten Verkehrsteilnehmer a la Fahrradfahrer. Denn dabei bleibt es seltenst bei einem Blechschaden. Leider scheinen die Geisterradler aber genau das zu provozieren. Wahrscheinlich nicht einmal bewusst. Aber Denkfaulheit ist keine Ausrede. Schon gar nicht wenn aus einem solchen Unfall erhebliche Probleme für betroffene Autofahrer resultieren können, die weit über finanzielle Streitfragen hinausgehen.

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[1]: ADAC: „Lichtpflicht am Tag“ auf adac.de, abgerufen am 18. Juni 2015
[2]: ADFC: „ADFC-Position: Tagfahrlicht für Kraftfahrzeuge“ vom 22. Januar 2008 auf adfc.de, abgerufen am 18. Juni 2015
[3]: KBA: „Bestand “ vom 1. Janur 2015 auf kba.de, abgerufen am 18. Juni 2015