Von Polo, Ibiza, Klein- und Kleinstwagen

Eigentlich sollte es im zweiten Beitrag nicht gleich wieder über den bereiften Freund des Menschen gehen, aber wer hält sich schon gerne an seine eigenen Pläne?
Dieser Beitrag befasst sich mit dem Seat Ibiza und der Konkurrenz aus dem eigenen Hause, insbesondere dem Polo.

Klein- und Kleinstwagen
Längst stellen Kleinwagen nicht mehr das untere Ende der Fahrzeugklassen dar. Die Idee einer Fahrzeugklasse unterhalb der Kleinwagen kam bereits in den 80er Jahren auf. Salonfähig wurden diese sogenannten Kleinstwagen dann beispielsweise mit dem Smart um die Jahrtausendwende. Etwa zur gleichen Zeit nahm das Kraftfahrtbundesamt das Kleinstwagensegment als „Minis“ mit in seine Eingruppierung der Modellreihen in Segmente auf.
Über die Jahre wurden Kleinstwagen immer kompakter, moderner, sparsamer und vielfältiger, was den klassischen Kleinwagen einer wichtigen Zielgruppe beraubte. Inzwischen füllen Kleinwagen die Lücke zwischen den Kleinstwagen und der Kompaktklasse und orientieren sich dabei eher an ihren größeren Geschwistern. Sie werden beispielsweise als fünftürige Zweitwagen immer beliebter und mit der Größe wuchs auch das Spektrum an verfügbaren Motorisierungen und Innenausstattungen an. Sportbenziner und Dieselmotoren finden sich schon lange nicht mehr nur ab der „Golf-Klasse“ aufwärts.

© 2015 Sven Spranger (Blockblogs.de, Svensons.de)
Gößenvergleich: Seat Leon (5F) links und Seat Ibiza (6J) rechts

Volkswagen AG
Betrachtet man den deutschen Markt mit Blick auf die Neuzulassungen in diesen Segmenten, so bemerkt man neben asiatischen, französischen und amerikanischen Marken auch eine starke deutsche Präsenz durch zum Beispiel Opel (Adam & Corsa) und Volkswagen (up! & Polo). Aber auch oder gerade für Branchenfremde sei anhand dieses Schaubildes und der Tabelle darunter erklärt, wie breit gefächert die Volkswagen AG auftritt1.

In der jüngsten Vergangenheit hörte man immer wieder, dass sich die Volkswagen AG die Kundschaft ihrer Hausmarke VW unter anderem in der Kompaktklasse mit Seat Leon und Škoda Rapid selbst abgräbt. Wirft man nun einen Blick auf die Zulassungszahlen der Jahre 2010 bis 2014, so bemerkt man einen Aufwärtstrend bei den Kleinstwagen, der einem Abwärtstrend bei den Kleinwagen gegenüber steht (die Premiummarke Audi mal ausgenommen). Während die Neuzulassungen bei den Polos am deutlichsten zurückgehen, kann der Ibiza den allgemeinen Abwärtstrend hingegen tatsächlich abfangen und bis 2013 sogar einen leichten Anstieg der Zulassungszahlen verzeichnen. Ich lasse das als Indiz für die Kundenabwanderung gelten.
Im Jahr 2009 konnten sowohl der Polo als auch der Fabia mehr als 100.000 Neuzulassungen verzeichnen. Da die Zahlen durch den „Störfaktor“ Abwrackprämie aber kaum aussagekräftig sind, spare ich mir die Auflistung im Folgenden.

Neuzulassungen Kleinstwagen2

Marke/Modell 2012 2013 2014
Seat Mii 10.581 11.340 10.581
Škoda Citigo 13.155 13.852 13.155
VW up! 42.842 42.867 40.902


Neuzulassungen Kleinwagen
2

Marke/Modell 2010 2011 2012 2013 2014
Seat Ibiza 23.570 28.192 29.652 29.967 25.498
Škoda Fabia 48.609 47.579 40.740 39.549 38.470
VW Polo 96.945 90.720 76.507 68.343 68.103

 

Polo und Ibiza
Wie bereits am Schluss des letzten Beitrages angesprochen, habe ich das Glück, alle paar Monate oder bei Bedarf auf einen anderen Neuwagen zur privaten Nutzung umzusteigen. Seit Oktober 2014 waren das immer wieder Seat Ibiza FR mit spritzigen 110 PS, davor ein Opel Adam (nettes Auto, aber keineswegs vergleichbar).
Mit Blick auf die Zulassungszahlen stellte sich mir die Frage, was ein Polo den besser könne als mein Ibiza und so verglich ich Äpfel mit Birnen, nämlich einen mager ausgestatteten Dreizylinder-Polo mit dem liebgewonnen und breit bereiften Ibiza im FR-Gewand. Die Bruttolistenpreise lagen mit ~19.800€ (Ibiza) und ~18.300€ (Polo) erstaunlich nah beieinander.

Noch einmal zur Erinnerung: Ich betreibe keinen professionellen Autojournalismus und habe auch nicht vor, die beiden Fahrzeuge umfassend und objektiv zu vergleichen oder gar einen Gewinner nach Noten zu errechnen. Hier geht es um weitaus wichtigeres: Meine Meinung. Ungefragt, unqualifiziert, unfair und unvollständig.

VW Polo V (6C) & Seat Ibiza (6J) © 5/2015 Svensons.de/BlockBlogs.de
VW Polo V (6C) & Seat Ibiza FR (6J)

Den Ibiza kenne ich nach etwa 10.000 privaten Kilometern ziemlich gut, also schnell den warmen Mantel der Vorurteile angezogen und auf den Polo gestürzt. Wie auf dem Foto zu erkennen, unterscheiden sich die beiden in ihrer Größe kaum voneinander, lediglich der Außenspiegel des Polos musste designbedingt ein wenig an Fläche einbüßen. Rein äußerlich also eine Frage des Geschmacks.

Schon auf meiner ersten Fahrt in einem Polo V fiel mir allerdings die vergleichweise kleine Heckscheibe auf. Size matters und 20 Zentimeter kann man nicht kleinreden. Ich formuliere in meinen Gedanken also schon mal das Fazit, der Ibiza sei besser, weil er die bessere Sicht nach hinten bietet.

Foto: Polo Heckscheibe

Foto: Ibiza Heckscheibe

Viel auffälliger als die Unterschiede sind aber ohnehin die Ähnlichkeiten: Bei der Lichtsteuerung links neben dem Lenkrad, sowie den Hebeln für Blinker, Scheibenwischer und Tempomat merkt man, dass die beiden Kleinwagen eigentlich Geschwister sind. Auch die Schlüssel lassen da keinen Zweifel. Schließlich verwendet Seat die Vorgängergeneration der aktuellen VW Schlüsselhardware.

Foto: Scheibenwischersteuerung Polo V (6C)

Foto: Scheibenwischersteuerung Ibiza FR (6J)

Begibt man sich hinters Steuer, fallen die unterschiedlichen Multifunktionsanzeigen zwischen Tacho und Drehzahlmesser auf. Im Gegensatz zu seinem großen Bruder Leon hat der Ibiza hier noch kein typisches Volkswagendisplay. Die Versionen beider Fahrzeuge verfügen über keine Lenkradtasten, der Ibiza aber über eine Medienfernsteuerung unterhalb des Blinkerhebels. Das breitere FR-Lenkrad des Ibizas greift sich angenehmer als das Polopendant, die abgeflachte Unterseite möchte man nicht mehr missen. Sowohl Haptik als auch Optik werden von einer roten Kunstnaht veredelt.

Foto: Lenkrad Polo V (6C) und Ibiza (6J)

Im Ibiza findet sich der typische Volkswagenschalthebel, bei dem der Rückwärtsgang durch Herunterdrücken links vom 1. Gang erreichbar ist. Im Polo sitzt dieser volkswagenuntypisch unterhalb des 5. Gangs. Der Rückwärtsgang ist hier aber im Gegensatz zu einigen französischen Modellen während der Fahrt gesperrt. Wer ein Sechsganggetriebe gewöhnt ist, wird es danken. Letztlich bleibt das Layout aber Geschmacks- und vor allem Gewohnheitssache.

Foto: Schaltknüppel Polo V (6C) und Ibiza (6J)

Armlehnen bzw. -stützen in der Mittelkonsole finden sich meist erst ab der Kompaktklasse. Ein wenig vermisste ich so etwas also im Ibiza. Der Polo hingegen verfügt über eine solche Vorrichtung, die man sogar nach hinten wegklappen kann. Vorbildlich.

Foto: Polo Armlehne

Fazit
Beim Vergleich von Äpfeln und Birnen kann man keinen nach objektiven Kriterien ermittelten Sieger erwarten. Vor allem nicht von einem Birnenfan. Wie bereits mehrfach erwähnt, habe ich so etwas auch gar nicht vor.
Seat Ibiza und VW Polo sind sich ohnehin so ähnlich, dass es im Endeffekt eine Preis- oder Designfrage bleiben dürfte. Daran dürfte auch weder die Armlehne noch die größere Heckscheibe etwas ändern. Bei den oben hier beschriebenen Varianten präferiere ich eindeutig den Ibiza FR. Hier sprechen Leistung, Fahrwerk und Optik für sich.

Den Ibiza tauschte ich inzwischen übrigens gegen den nächsten Neuwagen, der es als dessen Nachfolger aber denkbar schwer mit mir hat. Aber das ist eine andere Geschichte…
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1: Wikipedia: „Volkswagen AG/Struktur, Marken, Tochtergesellschaften“ auf de.wikipedia.org am 13. Mai 2015
2: Wikipedia: „Liste der Neuzulassungen […] nach Segmenten und Modellreiehen“ auf de.wikipedia.org am 13. Mai 2015